Los 295 aus unserer Auktion 58 am 29. April 2023
Die Schwestern. Öl auf Leinwand. 1928. 70,5 x 95 cm. Gerahmt.
Signiert u. datiert. Verso signiert, datiert u. mit Namensstempel versehen.
Sternfeld 63 – Provenienz: Atelier des Künstlers, seitdem in Familienbesitz. – Eine Leihanfrage des Kunstmuseums Stuttgart für die Ausstellung “Sieh dir die Menschen an! Das neusachliche Typenporträt in der Weimarer Zeit” (2.12.2023 bis 14.4.2024) liegt vor. – Ausgestellt und abgebildet u.a. in: Georg Scholz. Karlsruhe, Badischer Kunstverein e.V., 1975, Katalog-Nr. 75, S. 127; Welt im Umbruch. Kunst der 20er Jahre. Hamburg, Bucerius Kunst Forum, 2019, Katalog-Nr. 64, S. 99 sowie abgebildet in: Hans-Dieter Mück, Georg Scholz, Stuttgart 1991, S. 104.
Zwei innig verbundene Frauen mit Bubikopf auf einem Diwan – in keinem anderen Gemälde hat Georg Scholz dem Typus der Neuen Frau der “Goldenen Zwanziger Jahre” ein so bestechendes wie auch privates Denkmal gesetzt.
“Heute war Würtenberger bei mir, um mein neuestes Werk ‘Schlafende Mädchen’ zu betrachten. Nun sieht das Bild wegen der beiden Mädchen in tiefem Négligée aneinandergeschmiegt tatsächlich ein wenig schwul aus. Die beiden Dargestellten sind meine Frau und meine Schwägerin.”, schrieb Scholz in einem Brief vom 18. September 1928 an Carl Haußer und seinem Freund Theodor Kiefer teilte er mit: “Erwins Braut ist infolgedessen für einige Wochen bei uns, bis das Bild fertig ist. Wann das ist, kann ich noch nicht genau sagen.” (Georg Scholz. Schriften, Briefe, Dokumente, Karlsruhe 2018, S. 196 u. 278)
Wie bei allen Werken aus Scholz’ maßgeblicher Schaffenszeit ist reale Körperlichkeit allgegenwärtig: die Stofflichkeit des Möbels, das seidene Nachtgewand, der Glanz der perlmuttfarbenen Strümpfe sowie die nackte, weiche Haut der Mädchen. Trotz dieser extrem detailgetreuen und sachlichen Darstellungsweise ist jene kalte Erotik und Distanziertheit, die vielen Werken der Neuen Sachlichkeit anhaftet, unter anderem Scholz’ “Weiblicher Akt mit Gipskopf” von 1922, zugunsten einer liebevoll intimen Atmosphäre gewichen. Es verwundert daher wenig, dass gerade dieses so private Gemälde im familiären Nachlass des Künstlers bis heute gehütet wurde.
Wie sehr Scholz die malerische Wiedergabe von “Fleisch” sowie das Problem “Durch Farbe Form” beschäftigte, erschließt sich aus seinem Briefwechsel mit seinem Freund Theodor Kiefer: “Den prinzipiellen Unterschied zwischen der Farbanschauung des Impressionisten und der ‘neuen Sachlichkeit’ möchte ich Dir durch ein Schema illustrieren. Der ‘neue Sachlichkeiter’ trennt horizontal und sagt: ‘Wie gelingt es mir schwarze Haare im Licht und im Schatten so zusammen zu halten, daß sie schwarze Haare bleiben und nicht in Licht und Schatten zerfallen, wie gelingt es mir, fleischfarbenes Gesicht im Licht und im Schatten zusammenzuhalten, daß es zusammen Fleischfarbe ergibt und als Fleisch gegen Haare steht etc. etc.” (Ebd., S. 189)
In der Wahl seiner Bildthemen hatte Georg Scholz im Laufe der zwanziger Jahre einen Wandel vom Politischen ins Private vollzogen. Versuchte er in der frühen veristischen Phase die realen Widersprüche des Kapitalismus anzuprangern, so wählte er ab 1923 zunehmend neutrale oder scheinbar unpolitische Motive. Durch eine Anstellung an der Karlsruher Akademie, mit der ihm Ernst Würtenberger aus einer wirtschaftlichen Notlage verhalf, blieb Scholz nur noch ein verminderter Spielraum, gesellschaftliche Kritik offen und klar zu artikulieren. Sein ausgeprägter individueller Charakter hinderte ihn zudem an einer weiteren politischen Betätigung, vermutlich auch aufgrund seiner schlechten Erfahrungen in der KPD Anfang der zwanziger Jahre. Konsequenterweise konzentrierte sich Scholz in seinen neusachlichen Bildern auf traditionellere Bildthemen wie Landschaften, Stilleben oder Aktdarstellungen. Trotz einer Reduktion der Beschreibung auf bloße Oberflächenphänomene erzielte Scholz mit seinen detailgetreuen, oft hintergründigen Schilderungen eine Bildwirkung, die Franz Roh 1925 so anschaulich beschrieb: “Angezielt wird das Grundgefühl der Existenz, das wichtiger zu nehmen ist als alle Objektivität, denn sie würde nicht jene Magie ausstrahlen, jenes Geistige, Unheimliche, das den besten Bildern der neuen Richtung – inmitten ihrer Gelassenheit und scheinbaren Nüchternheit – innewohnt.” (Katalog Karlsruhe 1975, S. 111)
Ergebnis: 832.000 € (inkl. Aufgeld)
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