Los 255 unserer Auktion 49 am 27. Oktober 2018
Il paese di Bellegra II. Öl auf Leinwand. 1925. 58 x 70 cm. Gerahmt.
Signiert u. datiert. Verso auf dem Keilrahmen signiert, datiert, betitelt u. mit der ehemaligen Inventarnummer der Städtischen Kunstsammlungen Görlitz “2-60” bezeichnet.
Das Gemälde wird in das in Vorbereitung befindliche Werkverzeichnis von Dr. Michael Koch aufgenommen.
Provenienz: Privatsammlung Großschönau; Städtische Kunstsammlungen Görlitz (rückübereignet 1993); Privatsammlung Deutschland; Privatsammlung Ravensburg.
Ausgestellt und abgebildet in: Adolf Dietrich und die Neue Sachlichkeit in Deutschland. Winterthur, Kunstmuseum, 1994, S. 118 (der Rahmen verso mit dem Ausstellungsetikett).
Kanoldt ist tief verwurzelt mit der Landschaft und den Städten des italienischen Latiums. Westlich von Rom, wo die Ausläufer der Abruzzen in die Sabiner Berge übergehen, finden sich malerische Bergdörfer, karge Gesteinsformationen und fruchtbare Täler, die schon seit Generationen Künstler magisch anzogen. Bereits Kanoldts Vater, ebenfalls Maler, hatte diese Städte bereist und dort klassische Ansichten gezeichnet – es lag also förmlich im Blut des Künstlers an diese “familiären” Sehnsuchtsorte künstlerisch anzuknüpfen. Er entdeckte sie für sich neu und fand hier Mitte der 20er Jahre zu seinem typischen, markanten Stil.
Eindringlich schildert Kanoldt wie er das Malen in diesen Bergdörfern versteht, denn wer dort “Bilder malen will, der gebe dieses Vorhaben von vornherein auf – die Stadt bietet nur Steine statt Brot – es gibt dort nichts zu malen – kaum Motive, bestenfalls Kulissen. Hier geht es um ein Anderes: um die Seele der Stadt. Wer diese – allen Schwierigkeiten zum Trotz – zu gestalten unternimmt, der suche sie erst – die Seele; an der Oberfläche wird er sie nicht finden. Nicht malen darf er – niederreißen muß er Stein um Stein und suchen. Erst wenn er gefunden zu haben glaubt, darf er beginnen, die Stadt auf seiner Leinwand von Neuem erstehen zu lassen – Stein um Stein. Aber auch diese harte Arbeit wird nur Versuch, Fragment bleiben.” (Genius III, 1921, S.203)
In zwei Gemälden und einer Lithographie hielt Kanoldt das Panorama von Bellegra fest, wobei vorliegende Fassung eindeutig die endgültige ist, denn es wurde jeder Zierrat, jegliches Beiwerk und Anekdotische zugunsten eines zentralen Ausdrucks reduziert: Die Berglandschaft wird aus flächigen Schattierungen von Ocker, Braun und Grün geformt; die imposanten Felsen zu einem kantigen Terrain aus Grautönen; ein Weg führt geschwungen bergan und unterbricht die Strenge der Berghänge, aber verliert sich schließlich ziellos am rechten Bildrand; und über alledem thront einsam die Stadt Bellegra vor einem Himmel, der gleichmäßig von hellen, nebulösen Wolken unterteilt ist. Kanoldt unterwirft das Motiv seiner gestalterischen Kraft und bündelt Farben und Formen zu einem Zeugnis seiner Empfindung: Die “Seele” seiner Stadt wurde durch ihre Isolation geprägt. Oberhalb der aufgeworfenen Erdkruste, inmitten der Weite der Berge, erblickt der Reisende in der Ferne das trutzig liegende Bellegra: Gleichsam heilbringend und schützend wie geheimnisvoll und sagenumwoben bestimmt die Stadt den Blick. Dabei verströmen die warmen Braun- und satten Grüntöne sanfte Ruhe, die den kompromisslosen, harten Formen entgegensteht, so dass weniger die Kargheit des Gesteins als die beeindruckende Größe und wuchtige Dominanz der Berge hervorgehoben wird. Kanoldt fängt durch seine Malweise den mystischen Zauber des Bergdorfs ein, der jeden Betrachter in den Bann zieht.
Bezeichnend beschrieb Adrian Ludwig Richter seine Sicht auf Bellegra: “Kehrt man sich um und schaut zwischen den Stämmen und Wipfeln der Eichen hin nach Norden, da steigt der ganz kahle und schroffe Felsrücken empor, auf dessen höchster Spitze das armselige Civitella [ab 1880 Bellegra] liegt. Es machte mir diese bleiche Steinmasse immer einen geheimnisvollen, fast unheimlichen Eindruck, wie eine versteinerte Sphinx.” (Lebenserinnerungen, Leipzig 1909, S.182)
Ergebnis: 192.000 € (inkl. Aufgeld)
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