Los 57 unserer Auktion 52 am 25. April 2020
Ernte. Aquarell über Graphit auf Japan. 1912. 45,2 x 39,3 cm, im Passepartout freigestellt. Unter Glas gerahmt.
Signiert u. datiert. Verso von fremder Hand in Bleistift bezeichnet u. betitelt.
Firmenich 183
Provenienz: Galerie Pudelko, Bonn; Galerie Alex Vömel, Düsseldorf; Privatsammlung Köln.
Nach seiner künstlerischen Ausbildung an der Kunstgewerbeschule Krefeld von 1905 bis 1909 brach Heinrich Campendonk im Oktober 1911 nach Penzberg in Oberbayern auf. Am dortigen Bahnhof erwartete ihn Franz Marc, der den jungen Maler und seine Begleiter Helmuth und August Macke mit zu sich nach Sindelsdorf nahm. Hier entwickelte Campendonk, in unmittelbarer Nachbarschaft zu Marc und in regem künstlerisch-geistigen Austausch mit Wassily Kandinsky und Gabriele Münter, in den folgenden Monaten sein expressionistisches Frühwerk.
Als jüngstes Mitglied des “Blauen Reiters” wurde Campendonk von seinen erfahreneren Künstlerkollegen, insbesondere vom Werk Franz Marcs, in dieser Zeit beeinflusst. Gleichzeitig formulierte er in den entstehenden Gemälden und Zeichnungen eine erste, eigene Bildsprache mit leuchtender Farbigkeit, einer kraftvollen Linienführung und kubistischen Anklängen in der Darstellung seiner Sujets. In dieser Zeit entstand auch das vorliegende Aquarell, das einen Mann und eine Frau bei der Getreideernte zeigt. Campendonk begegnete dem Motiv vermutlich in der unmittelbaren Umgebung Sindelsdorfs und bannte das alltägliche, bäuerliche Leben der Dorfbewohner aufs Papier.
Mit breit gespreizten Beinen, gekrümmtem Rücken und angespannten Armen schneidet der Mann im Bildvordergrund das Getreide mit einer Sense. Hinter ihm bündelt eine Frau im langen Rock die geschnittenen Halme. Dicht gedrängt staffelt Campendonk die beiden Körper hintereinander, sodass ihre Bewegungen zu einer Einheit zu verschmelzen scheinen. Verstärkt wird dieser Eindruck durch wabernde Farbflächen, die die Leerstellen zwischen den beiden Körpern füllen und die Dargestellten in eine gemeinsame Kontur fassen.
Beide Figuren scheinen mitten in ihrer Bewegung gestoppt und vermitteln den Eindruck einer Momentaufnahme. Zugleich kondensiert Campendonk verschiedene Bewegungsabläufe durch die Dichte der Darstellung in einen kraftvollen Akt. In ihm zeigt sich die Mühsal des bäuerlichen Lebens, dessen Reiz für den Maler in der Nähe zur Natur liegt. Sie ist das übergreifende Thema, das sein gesamtes künstlerisches Schaffen durchzieht und sich in dieser ersten Schaffensphase ab 1911 bereits eindrucksvoll abzeichnet: “Die Landschaft, die Bauern, die Tiere und die in dieser Welt verwurzelten Menschen, das war die Welt, die Campendonk vom Niederrhein, seiner Heimat, mit in die bayrischen Berge genommen hatte. Und dieser Welt ist er treu geblieben. Man kann sagen, sein Leben lang.” (Söhn, Düsseldorf 1996, S. 8)
Der linke Rand stellenweise fachmännisch restauriert.
Ergebnis: 64.000 € (inkl. Aufgeld)
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