Los 180 unserer Auktion 44 am 30. April 2016
Trinker. Öl auf Leinwand. 1922. 92 x 81,5 cm. Gerahmt.
Monogrammiert u. datiert. Verso signiert, datiert u. betitelt.
Peese/Nagendanck 93 – Eckhardt B.91
Provenienz: Sammlung Eckhardt, Winnipeg; Sammlung Hoh, Fürth; Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg (Leihgabe des Museums Hoh seit 1995).
Ausstellungen: Kunstverein Hamburg, 1932, Kat.-Nr. 21. – The National Gallery of Canada, Ottawa, Kat.-Nr. 9, S. 21, Abbildung. – Staatsgalerie Moderne Kunst, München 1989, Kat.-Nr. 113.- Lindenau Museum, Altenburg 1998, Kat.-Nr. 33, S. 97, Abbildung. – Kulturgeschichtliches Museum Felix-Nussbaum-Haus, Osnabrück 1998, Kat.-Nr. 33, S. 97, Abbildung. – Museum am Ostwall, Dortmund 1998, Kat. Nr. 33, S. 97, Abbildung. – Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg 1998, Kat.-Nr. 33, S. 97, Abbildung.
Walter Gramatté, den Erich Heckel als den “einzig legitimen Nachfolger der Brücke” bezeichnete, zählt zu der sogenannten “verschollenen Generation”, der zweiten Generation des Expressionismus. Sein in kaum mehr als zehn Jahren entstandenes Werk wurde maßgeblich durch die Schrecken des Ersten Weltkrieges und seine persönliche Leidensgeschichte geprägt. Mit vorliegendem Gemälde “Trinker” schuf Gramatté 1922 ein beeindruckendes Gemälde von enormer Expressivität und Ausdrucksstärke. Die exzentrische Motivik basiert auf dem Theaterstück “Der lebende Leichnam” von Leo Tolstoi: Protagonist des 1913 veröffentlichten Theaterstücks ist Fedja Protasow, der die Sinnlosigkeit seiner verlotterten Existenz erkennt, sich von seiner Frau trennt und einen Selbstmord vortäuscht, um ihr eine neue Ehe zu ermöglichen. Als der wohlmeinende Schwindel des “lebenden Leichnams” auffliegt, greift Fedja zu einem radikalen Mittel, um seine Frau und deren neuen Mann aus ihrer unhaltbaren Situation zu befreien. Gramattés Gemälde “Trinker” zeigt eine Schlüsselszene des Dramas, in dem sich der aufgrund seiner Trunksucht unvorsichtig gewordene Protagonist durch seine Redseligkeit verrät: Ein Raum in einem Wirtshaus, an einem Tisch Gäste, die Branntwein trinken. Im Vordergrund ein Tisch, an ihm der sitzende Fedja, links davon, gleich einem Geistlichen, der stehende Petuschkow. Auf Grundfarben und Kontraste beschränkte Farbflächen setzen den Rausch der beiden Protagonisten, ihren Gleichgewichtsverlust sowie den nahenden Untergang Fedjas effektvoll in Szene. Gramattés Figuren “lassen etwas spüren von dem, was Heidegger in ,Sein und Zeit’ (1927) mit der ,Geworfenheit’ des ,Seienden in sein Da’ umrissen hat: Das ,Sein’ schlechthin ist unbekannt, und daher ist es dem Menschen erst aufgegeben ,zu sein’, was die Grunderfahrung der Angst und des Todes – auch des eigenen – einschließt. Der Mensch begegnet dem Nichts. Heidegger nennt dieses Nichts jedoch auch den ,Schleier des Seins’, durch den hindurch sich erst ein Teil des Seins im ,Da’ des Einzelnen offenbart. So entsteht aus dieser Begegnung mit dem Nichts die eigentliche Bedeutsamkeit und Dringlichkeit des Daseins, und es erwächst aus ihr das Wissen um die Verantwortlichkeit für das eigene Dasein.” (Regina Lange/John Matheson)
Ergebnis: 66.500 € (inkl. Aufgeld)
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