Los 191 aus unserer Herbstauktion am 25. Oktober 2025
Marionette. Öl auf Leinwand. 1979. 65 x 81 cm. Gerahmt.
Signiert.
Ausgestellt in: Marwan. Bagdad, Museum of Modern Art, 1980 (verso Etikett, Katalog ohne Abbildung).
Marwan Kassab-Bachi, bekannt unter dem Mononym Marwan, entwickelte in den 1960er bis 1980er Jahren eine unverwechselbare figurative Bildsprache, die sich zwischen expressiver Subjektivität und existenzieller Tiefe bewegt. Charakteristisch für Marwan ist das Gesicht als zentraler Ausdrucksort der Psyche. Neben seinem zentralen Thema der “Kopflandschaften” entwickelte der Künstler zwischen 1978 und 1983 seine Marionettenbilder.
Auch unser Gemälde von 1979 verdeutlicht eindrucksvoll Marwans Beschäftigung mit der Marionette als Projektionsfläche seelischer Zustände. Ihr Gesicht ist leicht fragmentiert und dennoch voller Spannung. Ihr Antlitz wirkt verzerrt und ist zugleich der Punkt, an dem sich das Auge des Betrachters festhält. Mit dieser aufgelösten Physiognomie gelingt es Marwan eine emotionale Intensität zu vermitteln, die parallel dazu in eine tiefe innere Versenkung führt. Für viele spiegeln diese fragilen, fremdbestimmt wirkenden Puppen existenzielle Erfahrungen des in Berlin lebenden syrischen Künstlers wider. Sie sehen darin Metaphern für Entwurzelung und Entfremdung im Exil.
Marwan war ein zentraler Akteur der sogenannten Berliner Schule der figurativen Malerei, hatte jedoch aufgrund seiner arabischen Wurzeln stets eine transkulturelle Perspektive. Seine Werke sind geprägt von einem tiefen Dialog zwischen westlicher Maltradition und arabischer Sensibilität. Besonders auffällig ist, dass seine Figuren und Gesichter sich aus der Farbe heraus entwickeln, nicht umgekehrt. Der Körper entsteht weniger durch zeichnerische Kontur als vielmehr durch das Zusammenspiel von Farbmassen, die sich übereinanderlegen, ineinanderfließen und an manchen Stellen regelrecht verflechten. Dabei herrscht eine intensive Farbdramaturgie: tiefe, dunkle Rot-, Orange- und Brauntöne wechseln sich ab mit aufbrechenden, teils grellen Farbflecken in Blau und Weiß. Diese Setzungen erzeugen Spannungen im Bildgefüge, alles bleibt in einem Zustand der Auflösung und Formwerdung zugleich. Fast könnte man von einer malerischen Psychologie sprechen: Die Farbe wird zur Trägerin innerer Zustände, zur Projektionsfläche von Schmerz, Verlorenheit und Fragilität.
Der Verzicht auf klassische Kompositionsprinzipien zugunsten eines prozesshaften, spontanen und nahezu eruptiv wirkenden Malgestus, der dennoch eine innere Geschlossenheit bewahrt, bewirkt, dass unsere Marionette nicht als dargestellte Figur, sondern wie aus der Farbe heraus geboren erscheint. In der dichten, körperhaften Malweise lösen sich die Grenzen zwischen Figur und Farbe auf, sodass der Bildgegenstand zu einem expressiven, fast abstrakten Bildzeichen wird, das wiederum Assoziationen an orientalische Landschaften
Schätzpreis: 30.000 €
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