Los 72 unserer kommenden Frühjahrsauktion am 24. April 2021
Bildnis Annemarie. Öl auf Schichtholz. 1933. 95 x 68,5 cm. Gerahmt.
Betitelt (unleserlich).
Verso vollwertiges Ölgemälde: Peter Paul Diehn mit Katze, um 1931/32. Dort signiert, datiert u. mit der Adresse der Künstlerin sowie einer Widmung versehen.
Provenienz: Nachlass Lothar Bolz, Berlin.
Ganzseitig farbig abgebildet in: Peter Palme. Kate Diehn-Bitt. 1900-1978. Leben und Werk. Berlin 2002, Katalog-Nr. 23, S. 73 sowie Katalog-Nr. 8, S. 37.
Aufgewachsen in gutbürgerlichem Hause erhält Kate Diehn-Bitt bereits im Alter von 14 Jahren Zeichenunterricht. Später besucht sie Kurse an der Rostocker Gewerbeschule. Auf ihre Heirat im Jahre 1919 mit dem Zahnarzt Peter Paul Diehn und die Geburt des gemeinsamen Sohnes folgt eine zehnjährige Schaffenspause. Erst 1929 knüpft Diehn-Bitt an ihre künstlerische Ausbildung an und studiert bis 1932 an die privaten Akademie von Simonson-Castelli bei Woldemar Winkler in Dresden.
Dieser erinnert sich später an seine Schülerin: “Immer wieder galt ihr Interesse den menschlichen Ausstrahlungen, denen sie erweiterte Wahrheiten zu entlocken hoffte. […] Sie suchte in ihrer Art nach Lösungen des alten und immer wieder neuen Problems. Sie suchte hinter die Kulissen zu schauen, schon mit der Gewissheit nur Angst und Schrecken zu finden.” Außerordentlich klug, selbstbewusst und emanzipiert sei Diehn-Bitt zudem gewesen, in ihrem Habitus vergleichbar etwa mit “der Laurencin” und der Bildhauerin Renée Sintenis (Winkler in einem Brief an Dieter Hubert vom 28.03.1982).
Von großer künstlerischer Kraft zeugen auch diese beiden nahezu lebensgroßen Dreiviertelporträts aus dem familiären Umfeld Diehn-Bitts: Das Bildnis ihres Ehemannes sowie das der älteren Schwester Annemarie sind wohl in relativ kurzem zeitlichen Abstand voneinander entstanden. Auch wenn die doppelseitige Bemalung der Holzplatte im Oeuvre Diehn-Bitts keine Ausnahme darstellt, bleibt offen, ob die motivische Paarung aus Zufall oder aufgrund der familiären Bindung zu den Dargestellten entstand. Dennoch scheint eine gewisse “Interaktion” zwischen Vorder- und Rückseite, Frauen- und Männerbildnis, der Schwester und dem Ehemann offenkundig. Beide Figuren heben sich in der Diehn-Bitt eigenen, glatt-kühlen Malweise, in einen orbikularen Lichtschein gehüllt, vom Dunkel des Hintergrundes ab. Während im früher entstandenen Bildnis Peter Paul Diehns dieser, gleich einer Erscheinung, dem undefinierten Dunkelgrau des Hintergrundes zu entsteigen scheint, ist das Bildnis der Schwester ganz klar umrissen. Sachlich und forsch steht Annemarie vor einer stabilen Wand, realistisch verhaftet im Hier und Jetzt. Dabei korrespondiert die sachliche Formensprache mit der selbstbewussten und kämpferischen Haltung der Schwester: Mit verschränkten Armen, straff zurückgebundenem Haar, geschlossenen Lippen und einem wachsamen, zugleich demonstrativ am Betrachter vorbeigewandten Blick, scheint Annemarie in abgrenzender Pose. War bei dem Bild des Ehemannes die von Diehn-Bitt bevorzugte dunkle Farbpalette noch von den farbigen Streifen des Pullovers durchbrochen, so kulminiert hier eine Malerei aus ineinander abgestuften Braun-, Grau- und Anthrazittönen zur absoluten Meisterschaft.
Als eine Art Gegenpol zum “weicheren” und leicht entrückten früheren Männerbildnis, gelang es der Künstlerin mit ihrem “Bildnis Annemarie” dem neuen Typus der selbstbewussten, starken und emanzipierten Frau, dem sie sich selbst so zugehörig fühlte, ein kraftvolles und zugleich bestechendes Denkmal zu setzen.
Schätzpreis: 35.000 €
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