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Mammen, Jeanne
(1890 Berlin 1976)
Mammen, Jeanne
(1890 Berlin 1976)
Fräulein Kunstmalerin. Aquarell u. Bleistift auf leichtem Karton. 1925. 22 x 25,3 cm, unter Passepartout. Unter Glas gerahmt.
Signiert.
Döpping/Klünner A 136 - Provenienz: Privatbesitz Le Locle, Schweiz; Privatsammlung Portugal. - Abgebildet in: Der Junggeselle, Heft 37, Jg. 7, September 1925, S. 18. - "Die zarten, duftigen Aquarelle, die Sie in Magazinen und Witzblättern veröffentlichen, überragen das undisziplinierte Geschmier der meisten Ihrer Zunftkollegen derart, daß man Ihnen eine kleine Liebeserklärung schuldig ist. Ihre Figuren fassen sich sauber an, sie sind anmutig und herb dabei, und sie springen mit Haut und Haaren aus dem Papier", so lautet schon 1929 Kurt Tucholskys überschwängliches Lob zu den in verschiedenen Zeitschriften veröffentlichten Aquarellen Jeanne Mammens (Antwort an Jeanne Mammen, in: Die Weltbühne, Heft 32, Jg. 25, August 1929, S. 225). Und noch heute haben diese pointierten Darstellungen des Berliner Großstadtlebens nichts an ihrer Faszination eingebüßt. - Dies gilt auch für vorliegende Arbeit, die als Illustration für die Zeitschrift "Der Junggeselle" entstand und die in ihrer Feinsinnigkeit weit über den bloßen illustrativen Zweck hinausgeht. Ist sie doch viel "subtiler und vielschichtiger gearbeitet, als es kommerzieller Zweck erfordert hätte" (Eva Züchner, Langweilige Puppen, in: Döpping/Klünner, S. 54). So vermag denn auch der von der Redaktion der Zeitschrift etwas abschätzend erscheinende Titel "Fräulein Kunstmalerin" - wie so oft bei den von den Magazinen nachträglich hinzugefügten Titeln und Texten - die virtuose Vielschichtigkeit des vorliegenden Aquarells nur unzureichend zu beschreiben. - Wie in einer flüchtigen Momentaufnahme präsentiert sich vor unseren Augen eine junge Frau mit modischem Kurzhaarschnitt. Auf einem Sofa sitzend, die Ellenbogen auf ein auf einem Hocker positioniertes Kissen gestützt, ist sie ganz in den Akt des Schminkens sowie des Nachziehens einer Augenbraue vertieft. Nur mit Negligé und Strümpfen bekleidet, beugt sie sich verführerisch dem Betrachter entgegen. Dabei bilden ihre für Mammens Frauendarstellungen so typischen mandelförmigen Augen einen ironischen Kontrapunkt zu der im Hintergrund ruhenden Katze. Mit kompositorischem Geschick gelingt es Mammen, sowohl verführerische Nähe als auch größtmögliche Distanz und Unerreichbarkeit zu suggerieren. So wurde dem aufreizenden Äußeren die innere Versunkenheit der Dargestellten gegenübergesetzt und der im Vordergrund positionierte Hocker zur Barriere erklärt. - Stets von neuem widmete sich die Künstlerin in ihren Zeichnungen und Aquarellen der "Erforschung" des in den zwanziger Jahren auftretenden Typus der "Neuen Frau". Dabei ging es der kritischen Beobachterin nicht um individuelle Einzelschicksale, "vielmehr war es die gesellschaftliche Erscheinung dieses Frauentyps, sein Bewußtsein als erotisches Wesen und sein Bemühen, sich dem vorherrschenden Leitbild der eleganten Großstädterin anzupassen, was die Künstlerin faszinierte und zugleich auch rührte." (Klara Drenker-Nagels, Die zwanziger und frühen dreißiger Jahre, in: Döpping/Klünner, S. 42) Vor allem Körpersprache, Verhalten, Schmink- und Kleidungsnormen werden von Mammen in ihren Arbeiten gekonnt "seziert" und verewigt. Gerade der hier dargestellte Akt des Schminkens nimmt in diesem Zusammenhang eine zentrale Rolle ein: Mammens Großstädterinnen sind anmutig und herb, verführerisch und kühl zugleich und tragen ihre stets sorgsam geschminkten, in Emotionslosigkeit erstarrten Gesichter als Maske gegen die eigene existenzielle, innere Verlorenheit wie sie schon Bernard von Brentano beschreibt: "Die Oberflächlichkeit, die man ihnen ansieht, weil sie nicht daran denken, sie etwa zu verbergen, will vielleicht verletzen. Aber es ist unmöglich in einer so großen und so von Leben und Ereignissen erfüllten Stadt, allein unter vier Millionen Menschen zu leben, ohne eine glatte und widerstandsfähige Oberfläche zu haben, an der wie Wasser an einer Glaswand alles herunterläuft, was anderswo sogar einen Regenschirm löchert." (Bernard von Brentano, Wo in Europa ist Berlin? Bilder aus den zwanziger Jahren, Frankfurt am Main 1987, S. 97-98) - Die linke obere Ecke mit kleiner Knickspur. Vereinzelte kleine Kratzer. Minimal stockfleckig.
(1890 Berlin 1976)
Fräulein Kunstmalerin. Aquarell u. Bleistift auf leichtem Karton. 1925. 22 x 25,3 cm, unter Passepartout. Unter Glas gerahmt.
Signiert.
Döpping/Klünner A 136 - Provenienz: Privatbesitz Le Locle, Schweiz; Privatsammlung Portugal. - Abgebildet in: Der Junggeselle, Heft 37, Jg. 7, September 1925, S. 18. - "Die zarten, duftigen Aquarelle, die Sie in Magazinen und Witzblättern veröffentlichen, überragen das undisziplinierte Geschmier der meisten Ihrer Zunftkollegen derart, daß man Ihnen eine kleine Liebeserklärung schuldig ist. Ihre Figuren fassen sich sauber an, sie sind anmutig und herb dabei, und sie springen mit Haut und Haaren aus dem Papier", so lautet schon 1929 Kurt Tucholskys überschwängliches Lob zu den in verschiedenen Zeitschriften veröffentlichten Aquarellen Jeanne Mammens (Antwort an Jeanne Mammen, in: Die Weltbühne, Heft 32, Jg. 25, August 1929, S. 225). Und noch heute haben diese pointierten Darstellungen des Berliner Großstadtlebens nichts an ihrer Faszination eingebüßt. - Dies gilt auch für vorliegende Arbeit, die als Illustration für die Zeitschrift "Der Junggeselle" entstand und die in ihrer Feinsinnigkeit weit über den bloßen illustrativen Zweck hinausgeht. Ist sie doch viel "subtiler und vielschichtiger gearbeitet, als es kommerzieller Zweck erfordert hätte" (Eva Züchner, Langweilige Puppen, in: Döpping/Klünner, S. 54). So vermag denn auch der von der Redaktion der Zeitschrift etwas abschätzend erscheinende Titel "Fräulein Kunstmalerin" - wie so oft bei den von den Magazinen nachträglich hinzugefügten Titeln und Texten - die virtuose Vielschichtigkeit des vorliegenden Aquarells nur unzureichend zu beschreiben. - Wie in einer flüchtigen Momentaufnahme präsentiert sich vor unseren Augen eine junge Frau mit modischem Kurzhaarschnitt. Auf einem Sofa sitzend, die Ellenbogen auf ein auf einem Hocker positioniertes Kissen gestützt, ist sie ganz in den Akt des Schminkens sowie des Nachziehens einer Augenbraue vertieft. Nur mit Negligé und Strümpfen bekleidet, beugt sie sich verführerisch dem Betrachter entgegen. Dabei bilden ihre für Mammens Frauendarstellungen so typischen mandelförmigen Augen einen ironischen Kontrapunkt zu der im Hintergrund ruhenden Katze. Mit kompositorischem Geschick gelingt es Mammen, sowohl verführerische Nähe als auch größtmögliche Distanz und Unerreichbarkeit zu suggerieren. So wurde dem aufreizenden Äußeren die innere Versunkenheit der Dargestellten gegenübergesetzt und der im Vordergrund positionierte Hocker zur Barriere erklärt. - Stets von neuem widmete sich die Künstlerin in ihren Zeichnungen und Aquarellen der "Erforschung" des in den zwanziger Jahren auftretenden Typus der "Neuen Frau". Dabei ging es der kritischen Beobachterin nicht um individuelle Einzelschicksale, "vielmehr war es die gesellschaftliche Erscheinung dieses Frauentyps, sein Bewußtsein als erotisches Wesen und sein Bemühen, sich dem vorherrschenden Leitbild der eleganten Großstädterin anzupassen, was die Künstlerin faszinierte und zugleich auch rührte." (Klara Drenker-Nagels, Die zwanziger und frühen dreißiger Jahre, in: Döpping/Klünner, S. 42) Vor allem Körpersprache, Verhalten, Schmink- und Kleidungsnormen werden von Mammen in ihren Arbeiten gekonnt "seziert" und verewigt. Gerade der hier dargestellte Akt des Schminkens nimmt in diesem Zusammenhang eine zentrale Rolle ein: Mammens Großstädterinnen sind anmutig und herb, verführerisch und kühl zugleich und tragen ihre stets sorgsam geschminkten, in Emotionslosigkeit erstarrten Gesichter als Maske gegen die eigene existenzielle, innere Verlorenheit wie sie schon Bernard von Brentano beschreibt: "Die Oberflächlichkeit, die man ihnen ansieht, weil sie nicht daran denken, sie etwa zu verbergen, will vielleicht verletzen. Aber es ist unmöglich in einer so großen und so von Leben und Ereignissen erfüllten Stadt, allein unter vier Millionen Menschen zu leben, ohne eine glatte und widerstandsfähige Oberfläche zu haben, an der wie Wasser an einer Glaswand alles herunterläuft, was anderswo sogar einen Regenschirm löchert." (Bernard von Brentano, Wo in Europa ist Berlin? Bilder aus den zwanziger Jahren, Frankfurt am Main 1987, S. 97-98) - Die linke obere Ecke mit kleiner Knickspur. Vereinzelte kleine Kratzer. Minimal stockfleckig.
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