325
Schlichter, Rudolf
(Calw 1890 - 1955 München)
Schlichter, Rudolf
(Calw 1890 - 1955 München)
Selbstporträt. Aquarell über Graphit auf Hahnemühle Bütten. Um 1925. 60 x 45,5 cm, unter Passepartout. Unter Glas gerahmt.
Signiert.
Ausgestellt und abgebildet in: Rudolf Schlichter. Berlin, Staatliche Kunsthalle, 1984, Katalog-Nr. 116, S. 70 sowie ausgestellt in: Berlin, Berlin. Die Ausstellung zur Geschichte der Stadt. Berlin, Martin-Gropius-Bau, 1987; Neue Sachlichkeit. Mannheim, Städtische Kunsthalle, 1994; Nuova oggettività. Germania e Italia 1920-1939. Mailand, Palazzo della Permanente, 1995. - Schlichter teilte den schonungslosen Blick der Maler der Neuen Sachlichkeit, insbesondere der Veristen wie Otto Dix, George Grosz, Christian Schad oder Georg Scholz. In den zwanziger Jahren hielt er das Berliner Nachtleben auf Papier fest und schuf eindrucksvolle Porträts vieler Intellektueller, unter anderem von Bertolt Brecht, Helene Weigel oder Ernst Jünger. Der Schriftsteller Paul Alverdes beschrieb den blassen Brillenträger mit einem ausgewiesenen Hang zum Masochismus und Schuhfetischismus 1940: "Besuch bei dem Maler des Untergangs [...] Wunderlicher, urtümlicher, wenig liebsamer Geselle, aber er kann zeichnen wie kaum einer. Seine Arbeiten bevorzugen kalte Industriefarben: ein fatales Violett, ein giftiges Grün, ein Blei wie von billiger Damenwäsche und ein knallendes mörderisches Rot. Seine Figuren, wo er es ernst meint, sind Nutten-Typen mit einem Schuss großstädtischer Literatur." (Zitiert nach: Carmela Thiele, Rudolf Schlichter - Liebhaber des Exzentrischen. 06.12.2015 Deutschlandfunk, online) - Im Vergleich zu seinen Kollegen Otto Dix, Christian Schad oder Karl Hubbuch sind vollwertige Selbstporträts in Schlichters Oeuvre selten. Das malerische, wohl um 1925 entstandene Selbstbildnis des Künstlers ist daher eine besondere Rarität. Wenn Schlichter sich darstellte, dann meist spontan, als Beobachter, eine Rolle, die durch die Brille und den zugewandten Kopf noch unterstrichen wird. Leger gekleidet, präsentiert sich Schlichter mit dem Zeichenblock in Aktion. Auch der rasche Strich und die scheinbar flüchtig und formübergreifend darüber gelegte Lavierung stehen für das Momentane. Der kritische Blick unter dem wuscheligen Haar und der runden Brille mit den sinnlich roten Lippen stellt eine treffende Charakterisierung des Künstlers dar. Der Grübler und Erotomane Schlichter, der Mann der Phantasmen und der quälenden Introspektion, begegnet uns in dieser Momentaufnahme schonungslos. Schlichters Verismus verpflichtet ihn geradezu sein Modell bzw. das Gegenüber in aller Wahrhaftigkeit zu erfassen und mit ein wenig zynischem Pessimismus darzustellen. Die Skepsis des Blicks, die natürliche Haltung beim Zeichnen und die betont geschwungenen Lippen erfassen den Künstler, der sich ohne jegliche Form von achtunggebietender Attitüde wiedergibt. Anscheinend widerstrebte ihm eine solche Fixierung, eine Festsetzung des gewichtigen Selbst. Damit steht das Werk in einer Reihe großartiger Porträts der Neuen Sachlichkeit, die sich weniger der Repräsentativität verpflichtet fühlten, sondern vielmehr Funktionalität, Sachlichkeit und Klassenlosigkeit zum Anspruch hatten. - Die oberen Ecken jeweils mit einem hinterlegten Einriss. Zwei Knitterspuren.
(Calw 1890 - 1955 München)
Selbstporträt. Aquarell über Graphit auf Hahnemühle Bütten. Um 1925. 60 x 45,5 cm, unter Passepartout. Unter Glas gerahmt.
Signiert.
Ausgestellt und abgebildet in: Rudolf Schlichter. Berlin, Staatliche Kunsthalle, 1984, Katalog-Nr. 116, S. 70 sowie ausgestellt in: Berlin, Berlin. Die Ausstellung zur Geschichte der Stadt. Berlin, Martin-Gropius-Bau, 1987; Neue Sachlichkeit. Mannheim, Städtische Kunsthalle, 1994; Nuova oggettività. Germania e Italia 1920-1939. Mailand, Palazzo della Permanente, 1995. - Schlichter teilte den schonungslosen Blick der Maler der Neuen Sachlichkeit, insbesondere der Veristen wie Otto Dix, George Grosz, Christian Schad oder Georg Scholz. In den zwanziger Jahren hielt er das Berliner Nachtleben auf Papier fest und schuf eindrucksvolle Porträts vieler Intellektueller, unter anderem von Bertolt Brecht, Helene Weigel oder Ernst Jünger. Der Schriftsteller Paul Alverdes beschrieb den blassen Brillenträger mit einem ausgewiesenen Hang zum Masochismus und Schuhfetischismus 1940: "Besuch bei dem Maler des Untergangs [...] Wunderlicher, urtümlicher, wenig liebsamer Geselle, aber er kann zeichnen wie kaum einer. Seine Arbeiten bevorzugen kalte Industriefarben: ein fatales Violett, ein giftiges Grün, ein Blei wie von billiger Damenwäsche und ein knallendes mörderisches Rot. Seine Figuren, wo er es ernst meint, sind Nutten-Typen mit einem Schuss großstädtischer Literatur." (Zitiert nach: Carmela Thiele, Rudolf Schlichter - Liebhaber des Exzentrischen. 06.12.2015 Deutschlandfunk, online) - Im Vergleich zu seinen Kollegen Otto Dix, Christian Schad oder Karl Hubbuch sind vollwertige Selbstporträts in Schlichters Oeuvre selten. Das malerische, wohl um 1925 entstandene Selbstbildnis des Künstlers ist daher eine besondere Rarität. Wenn Schlichter sich darstellte, dann meist spontan, als Beobachter, eine Rolle, die durch die Brille und den zugewandten Kopf noch unterstrichen wird. Leger gekleidet, präsentiert sich Schlichter mit dem Zeichenblock in Aktion. Auch der rasche Strich und die scheinbar flüchtig und formübergreifend darüber gelegte Lavierung stehen für das Momentane. Der kritische Blick unter dem wuscheligen Haar und der runden Brille mit den sinnlich roten Lippen stellt eine treffende Charakterisierung des Künstlers dar. Der Grübler und Erotomane Schlichter, der Mann der Phantasmen und der quälenden Introspektion, begegnet uns in dieser Momentaufnahme schonungslos. Schlichters Verismus verpflichtet ihn geradezu sein Modell bzw. das Gegenüber in aller Wahrhaftigkeit zu erfassen und mit ein wenig zynischem Pessimismus darzustellen. Die Skepsis des Blicks, die natürliche Haltung beim Zeichnen und die betont geschwungenen Lippen erfassen den Künstler, der sich ohne jegliche Form von achtunggebietender Attitüde wiedergibt. Anscheinend widerstrebte ihm eine solche Fixierung, eine Festsetzung des gewichtigen Selbst. Damit steht das Werk in einer Reihe großartiger Porträts der Neuen Sachlichkeit, die sich weniger der Repräsentativität verpflichtet fühlten, sondern vielmehr Funktionalität, Sachlichkeit und Klassenlosigkeit zum Anspruch hatten. - Die oberen Ecken jeweils mit einem hinterlegten Einriss. Zwei Knitterspuren.
Zuschlag: 24.000 €