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Schlichter, Rudolf
(Calw 1890 - 1955 München)
Schlichter, Rudolf
(Calw 1890 - 1955 München)
Der schwarze Jack. Aquarell u. Bleistift auf leichtem Karton. 1916. 41,2 x 54,4 cm, unter Passepartout. Unter Glas gerahmt.
Signiert, datiert u. betitelt. Verso betitelt "Wild-West".
Provenienz: Sammlung Wolf Uecker, Hamburg; Privatsammlung Offenbach. - Ausgestellt in: Rudolf Schlichter. Aquarelle, Zeichnungen und Grafiken der 20er Jahre. Hamburg, Galerie Brockstedt, 1978, Katalog-Nr. 11; Rudolf Schlichter 1890-1955. Berlin, Staatliche Kunsthalle, 1984, Katalog-Nr. 35; Envisioning America. Prints, drawings and photographs by George Grosz and his contemporaries. Cambridge, Busch-Reisinger-Museum u.a., 1990, Katalog-Nr. 11; Rudolf Schlichter. Hamburg, Erotic Art Museum, 1995, Katalog-Nr. 1 sowie in: Rudolf Schlichter. Gemälde, Aquarelle, Zeichnungen. Tübingen, Kunsthalle u.a., 1997, Katalog-Nr. 12. - Der dadaistische Impuls, Mythen durch Groteske und Ironie zu entlarven, verbindet sich hier mit Schlichters obsessiver May-Rezeption. Der Künstler war, wie Zeitgenossen berichteten, der geradezu "gründlichste Karl May Forscher seiner Zeit" (Carl Zuckmayer), neben Ernst Bloch und Zuckmayer selbst. Auch wenn diese Einschätzung sicherlich überhöht wirkt, zeigt sie doch den außergewöhnlichen Enthusiasmus, mit dem Schlichter den "Radebeuler Phantasten" rezipierte. Angeblich soll er "den ganzen Karl May fast auswendig" gekannt haben. Von dessen Themen begeistert, lebte Schlichter seine existentialistischen Fantasien vollends aus: "Es gab kein Darüber, sondern nur ein Darinstehen in dem schrecklichen Reigen von Lust und Unlust, Mitleid und Grausamkeit, würgendem Ekel und brennender Wollust, im grausigen Spiel von Zeugung und Vernichtung. Mit wollüstigem Fatalismus klammerte ich mich an die Vorstellung, daß ein unerbittliches Naturgesetz uns beherrsche, wogegen sich sträuben, heller Wahnsinn sei. Die ganze Erde schien mir ein brodelnder Orkus hungriger, macht- und lustgieriger, sich vergewaltigender und vernichtender verdammter Wesen." (Schlichter, Tönerne Füße, Berlin 1933/91, S. 52) - Indem der schwarzhaarige Jack eine mit Schnürschuhen gekleidete Frau auf seinem Pferd entführt, inszenierte Schlichter das klassisch antike Thema des Frauen- oder Brautraubs in vorliegendem Aquarell. Die Nähe zur Dada-Bewegung, der Schlichter in Stuttgart und später in Berlin eng verbunden war, prägt die formale Sprache des Blattes. Mit flüchtigen Konturen, skizzenhaften Gesten und bewusst gesetzten Farbflächen wird das Sujet wie eine Collage aus Versatzstücken populärer Kultur und kruder Gewaltbilder montiert. Gerade im Kontext des Ersten Weltkriegs liest sich "Der schwarze Jack" als satirische Spiegelung der realen Kriegsfurie in Europa. Das Aquarell steht somit an der Schnittstelle von Schlichters Wildwest-Obsession, seiner dadaistischen Gesellschaftskritik und seinem künstlerischen Ringen um die Demontage heroischer Narrative. Selbst als Kriegsgegner wurde Schlichter eingezogen und konnte dem Dienst als Munitionsfahrer nur durch einen quälenden Hungerstreik entfliehen. - Die Ecken mit Löchlein von Reißzwecken. Der untere Rand mit leichten Gebrauchs- und Knitterspuren.
(Calw 1890 - 1955 München)
Der schwarze Jack. Aquarell u. Bleistift auf leichtem Karton. 1916. 41,2 x 54,4 cm, unter Passepartout. Unter Glas gerahmt.
Signiert, datiert u. betitelt. Verso betitelt "Wild-West".
Provenienz: Sammlung Wolf Uecker, Hamburg; Privatsammlung Offenbach. - Ausgestellt in: Rudolf Schlichter. Aquarelle, Zeichnungen und Grafiken der 20er Jahre. Hamburg, Galerie Brockstedt, 1978, Katalog-Nr. 11; Rudolf Schlichter 1890-1955. Berlin, Staatliche Kunsthalle, 1984, Katalog-Nr. 35; Envisioning America. Prints, drawings and photographs by George Grosz and his contemporaries. Cambridge, Busch-Reisinger-Museum u.a., 1990, Katalog-Nr. 11; Rudolf Schlichter. Hamburg, Erotic Art Museum, 1995, Katalog-Nr. 1 sowie in: Rudolf Schlichter. Gemälde, Aquarelle, Zeichnungen. Tübingen, Kunsthalle u.a., 1997, Katalog-Nr. 12. - Der dadaistische Impuls, Mythen durch Groteske und Ironie zu entlarven, verbindet sich hier mit Schlichters obsessiver May-Rezeption. Der Künstler war, wie Zeitgenossen berichteten, der geradezu "gründlichste Karl May Forscher seiner Zeit" (Carl Zuckmayer), neben Ernst Bloch und Zuckmayer selbst. Auch wenn diese Einschätzung sicherlich überhöht wirkt, zeigt sie doch den außergewöhnlichen Enthusiasmus, mit dem Schlichter den "Radebeuler Phantasten" rezipierte. Angeblich soll er "den ganzen Karl May fast auswendig" gekannt haben. Von dessen Themen begeistert, lebte Schlichter seine existentialistischen Fantasien vollends aus: "Es gab kein Darüber, sondern nur ein Darinstehen in dem schrecklichen Reigen von Lust und Unlust, Mitleid und Grausamkeit, würgendem Ekel und brennender Wollust, im grausigen Spiel von Zeugung und Vernichtung. Mit wollüstigem Fatalismus klammerte ich mich an die Vorstellung, daß ein unerbittliches Naturgesetz uns beherrsche, wogegen sich sträuben, heller Wahnsinn sei. Die ganze Erde schien mir ein brodelnder Orkus hungriger, macht- und lustgieriger, sich vergewaltigender und vernichtender verdammter Wesen." (Schlichter, Tönerne Füße, Berlin 1933/91, S. 52) - Indem der schwarzhaarige Jack eine mit Schnürschuhen gekleidete Frau auf seinem Pferd entführt, inszenierte Schlichter das klassisch antike Thema des Frauen- oder Brautraubs in vorliegendem Aquarell. Die Nähe zur Dada-Bewegung, der Schlichter in Stuttgart und später in Berlin eng verbunden war, prägt die formale Sprache des Blattes. Mit flüchtigen Konturen, skizzenhaften Gesten und bewusst gesetzten Farbflächen wird das Sujet wie eine Collage aus Versatzstücken populärer Kultur und kruder Gewaltbilder montiert. Gerade im Kontext des Ersten Weltkriegs liest sich "Der schwarze Jack" als satirische Spiegelung der realen Kriegsfurie in Europa. Das Aquarell steht somit an der Schnittstelle von Schlichters Wildwest-Obsession, seiner dadaistischen Gesellschaftskritik und seinem künstlerischen Ringen um die Demontage heroischer Narrative. Selbst als Kriegsgegner wurde Schlichter eingezogen und konnte dem Dienst als Munitionsfahrer nur durch einen quälenden Hungerstreik entfliehen. - Die Ecken mit Löchlein von Reißzwecken. Der untere Rand mit leichten Gebrauchs- und Knitterspuren.
Schätzpreis: 12.000 €