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Fruhtrunk, Günter

(1923 München 1982)

Fruhtrunk, Günter
(1923 München 1982)
Interpénétration, Étude 5. Vinyl auf Pressholzplatte. 1961-63. 71,4 x 72 cm. In Aluminiumleiste gerahmt.
Verso signiert, monogrammiert, datiert, betitelt u. mit der Ortsangabe "Paris" versehen. Verso Etiketten der Galerie Denise René / Hans Mayer, Krefeld, sowie der Galerie Gunar, Düsseldorf.

Reiter 232 - Ausgestellt in: Günter Fruhtrunk. Dortmund, Museum am Ostwall, 1963, Katalog-Nr. 18 (verso Ausstellungsetikett) sowie ausgestellt und abgebildet in: Deutsche Avantgarde 1. Günter Fruhtrunk, Raimund Girke, Georg Karl Pfahler. Hannover, Kestner-Gesellschaft, 1969, Katalog-Nr. 5 (verso Ausstellungsetikett). - Günter Fruhtrunks Gemälde zeichnen sich durch ihre präzise Ausführung und ausgewogene Strukturierung des Bildganzen aus. Auch bei vorliegendem Gemälde handelt es sich um die minutiöse Umsetzung eines zuvor entwickelten geistig-optischen Konzeptes. Bestimmt wird die Arbeit vom rhythmischen Auf-und-Ab der streng parallel angeordneten blaugrauen, weißen und schwarzen Linien. Zeigten die Arbeiten Fruhtrunks in den 1950er Jahre noch klar konturierte, frei im Raum schwebende, "labile Elemente", ist "Interpénétration, Étude 5" ein markantes Beispiel dafür, wie diese in den frühen 1960er Jahren beginnen, "sich in anonymen Strukturen oder Gefügen aufzulösen. Formen werden nicht mehr farblich abgesetzt, sondern zerfallen und zerfließen mit dem Hintergrund. Es entwickeln sich streifige, teils überlagernde, geschichtete Strukturen [...]." (Silke Reiter, Mathematik der Intuition, in: Dieselbe, Günter Fruhtrunk, Berlin 2018, S. 47) - Meisterhaft versteht es Fruhtrunk hier durch den geschickten Einsatz von Farbe die einzelnen Bildelemente zu einem harmonischen Ganzen zu verbinden, in dem es weder Vorder- noch Hintergrund gibt und alles "in einen kontinuierlichen Wechsel aus Teilflächen eingebunden" ist, bei dem sich stets mehrere Farbformen in den Blick drängen (Erich Franz, Expansion und Konzentration, in: Reiter 2018, S. 13). Dabei sind Fruhtrunks Bildkonzeptionen stets auf das Auge der Betrachtenden angewiesen, denn erst in diesem finden die Werke des Künstlers ihre Vollendung: "Zugleich bleibt aber jedes Bild etwas Vorläufiges. Es harrt der geistigen 'Durchführung' durch den Betrachter, der Fortsetzung im zusammenführenden Sehen, die keine Vollendung finden kann." (Ebd., S. 15) - Wichtig für das Oeuvre Fruhtrunks ist auch der Aspekt der Wiederholung, auf den auch der Titel des vorliegenden Werkes (Étude 5) verweist. Es ist Teil einer ganzen Reihe von Variationen einer kompositorischen Grundidee. Dabei erreicht der Künstler teils mit kleinsten Abweichungen Änderungen des gesamten Kontextes und so die Überwindung der statischen Fixierbarkeit des Bildes. - Angeregt zu seiner stilistischen Selbstfindung wurde Fruhtrunk nicht zuletzt durch die Begegnung mit Willi Baumeister um 1948, der ihn an die gegenstandslose Malerei heranführte. 1951 schließlich zieht es ihn nach Paris, um dort in den Ateliers von Fernand Léger und später bei Hans Arp zu arbeiten. Die Ergebnisse dieses für den Maler so fruchtbaren Austauschs präsentierte er wenige Jahre später in den Pariser Galerien René Drouin sowie Denise René. Einer kurzen konstruktivistischen Schaffensphase folgten jene farbintensiven Bilder aus parallelen, orthogonalen oder diagonalen, farbigen, in Streifen gebündelten Vektoren, für die der Künstler bis heute bekannt ist. - Zwei winzige Retuschen.
Zuschlag: 48.000 €