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Dix, Otto

(Untermhaus bei Gera 1891 - 1969 Singen)

Dix, Otto
(Untermhaus bei Gera 1891 - 1969 Singen)
Sphinx. Aquarell über Bleistift auf Büttenkarton. 1925. 50,5 x 51,5 cm, im Passepartout freigestellt. Unter Glas gerahmt.
Signiert u. datiert. Verso betitelt.

Pfäffle A 1925/22 - Provenienz: Atelier des Künstlers; Käthe König, Dresden; Horst Kempe, München (von Käthe König in den 60er Jahren erworben), seitdem in Familienbesitz. - Ausgestellt und abgebildet in: Otto Dix. München, Villa Stuck, 1985, Katalog-Nr. 321, S. 186; Otto Dix. Zum 100. Geburtstag, 1891-1991. Staatsgalerie Stuttgart, 1991, S. 133 sowie in: Geisterbahn und Glanzrevue. Otto Dix. Aquarelle und Gouachen. Hamburg, Bucerius Kunst Forum, 2007, Katalog-Nr. 71, S. 124. - Verismus und Neue Sachlichkeit, mit denen die Künstler auf das traumatische Erlebnis des Krieges reagierten, bestimmten die Kunst der Weimarer Republik. Vor allem die radikal gesinnte Gruppe der Veristen, unter ihnen George Grosz, Otto Dix, Karl Hubbuch, Rudolf Schlichter oder Georg Scholz hielten die gesellschaftlichen Widersprüche zwischen Großstadtglamour und dem Elend des Proletariats in beißend kritischen Werken fest. Ihre Motive zeichnen sich durch einen scharfen, ungeschönten Blick auf die unmittelbare Wirklichkeit aus. - Zu Dix' wichtigen Arbeiten der Zeit um 1925 gehört vorliegendes Aquarell. Aufgeladen mit leuchtend kräftiger Farbigkeit, changiert es zwischen erotischer Anziehung und physischer Aggressivität. Aus einem dunkelroten Hintergrund entsteigt die "Sphinx" mit feurigem Haar und keulenförmigen Brüsten. In sprungbereiter Pose fixiert sie mit stechend blauen Augen ihr Gegenüber. Knallrote Lippen umfassen die bleckend weißen Zähne so, als wären sie bereit ein Opfer zu erlegen. Diese überwältigende Konfrontation überbordender Körperlichkeit gelang Dix durch eine meisterlich gewählte Untersicht mit der die Dargestellte sich den Betrachter unterwirft. - Für Dix galt es ungeschminkt das volle Spektrum des Lebens zu spiegeln: "...das war ja eine Lust für mich, daß das Leben so ist, das ist es ja, daß nicht alles zuckergußfarben und wunderschön ist. Wenn es darauf ankommt, können Sie den Menschen groß - und auch ganz klein sehen, sogar viehmäßig. Das gehört zur Vollständigkeit seiner Anlage. Nein, ich war gar nicht schmerzlich berührt von diesen Erkenntnissen." (Dix, zitiert nach: Maria Wetzel, Diplomatischer Kurier, 14. Jg., Köln 1965, in: Otto Dix. München, Museum Villa Stuck, 1985, S. 289) - Unerbittlich hält er uns den Spiegel vor, zeigt Verfall, Alter, Krankheit, Gier, Sünde, einfach die ganze Palette an menschlichen Makeln. Dem Künstler ging es nicht um Schönheit, vielmehr gierte er nach den Abgründen und die hässliche, menschliche Hülle, die die inneren Zustände und Verkommenheit offenbaren. - Mit dem Titel "Sphinx" spielt Dix auf das halb weibliche Fabelwesen der griechischen Mythologie an, das den tötet, der sein Rätsel nicht lösen kann. In der Bildenden Kunst des 19. Jahrhunderts wird die Begegnung zwischen der Sphinx und Ödipus oft als symbolische Schlüsselszene für "Das Rätsel Frau" und für ein konflikthaftes Geschlechterverhältnis interpretiert. In dieser Polysemie der Figur liegt eine weitere Stärke des Aquarells von 1925, das Dix selbst für die Ewigkeit betitelte. - Dix war von dieser Arbeit derart überzeugt, dass er das Aquarell seiner Dresdener Frau Käthe König schenkte, die es vierzig Jahre bewahrte. Erst in den sechziger Jahren konnte es vom Ehepaar Kempe erworben werden. Horst Kempe hatte im ausgebombten Dresden unter dem Namen NOVA einen Kunsthandel eröffnet und genoss durch seine Freundschaft mit Dix das Privileg, dessen vertrauter Kunsthändler in der DDR zu sein. Durch seine Vermittlung gelangten Hauptwerke u. a. von Otto Dix, Erich Heckel und Karl Schmidt-Rottluff in Dresdner Museen. Kempe wurde 1974 inhaftiert und nach neun Monaten Untersuchungshaft ohne Anklage oder Urteil direkt aus einem Stasi-Gefängnis in den Westen abgeschoben. Bedingung war die Anerkennung einer Steuerschuld in Höhe des Wertes seines Umzugsgutes. Kempe gelang es das Kunstwerk vor der staatlichen Enteignung zu retten und in Erbfolge weiterzugeben. - Die Ecken mit Löchlein von Reißzwecken. - Beigegeben: Dix, The painter is the eyes of the world. Art documentary. Film von Rainer E. Moritz, 1989, DVD.
Zuschlag: 120.000 €